Interview
Dr. Balthasar Strunz über den Wandel der juristischen Arbeitswelt
Die Rechtswelt ist traditionell geprägt – doch in einer Ära des rasanten technologischen Wandels erlebt der Bereich eine beispiellose Umgestaltung durch Innovation. Bei Libra schätzen wir den Austausch mit Rechtsexperten, die diesen Wandel aktiv mitgestalten.
Für dieses Interview haben wir uns mit Dr. Balthasar Strunz getroffen, dem Leiter der Rechtsabteilung Commercial bei der Solaris SE. Solaris ist ein in Berlin ansässiger Banking-as-a-Service-Anbieter, der an der Spitze der Finanzinnovation steht. Wir sprachen über seinen Werdegang, seine einzigartige Perspektive auf die Rolle der Technologie im Recht und seine Vision für die Zukunft der Branche.
Balthasar, beginnen wir am Anfang: Was hat dein Interesse an einer juristischen Karriere geweckt?
Alles begann mit einem Kurs in der Oberstufe namens Wirtschaft und Recht. Dort war ich zum ersten Mal von Rechtskonzepten fasziniert – insbesondere von der Funktionsweise eines so grundlegenden Elements wie eines Kaufvertrags: wie er zustande kommt und was ihn rechtsverbindlich macht. Einerseits sind diese Konzepte hochtechnisch, andererseits sind sie eng mit dem Alltag verbunden.
Ich glaube, das ist es, was viele von uns Juristen fesselt: alltägliche Interaktionen durch eine juristische Brille zu betrachten und zu verstehen, wie dieser rechtliche Rahmen, der unsere Gesellschaft durchzieht, unser tägliches Leben strukturiert und prägt.
Ich fand das unglaublich faszinierend, und das ist bis heute so. Wenn man tiefer in die Rechtsphilosophie und -geschichte eintaucht, beginnt man natürlich auch die größere Bedeutung des Rechtsberufs zu erkennen – die Rolle, die er auf globaler Ebene spielt, und seine fundamentale Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit.
Erzähl uns mehr über diese globale Perspektive. Welche Rolle haben deine internationalen Erfahrungen in deinem Karriereweg gespielt?
Sie waren wirklich prägend. Meine Zeit in Belgien und Südafrika hat mein Verständnis von Recht und seiner Rolle in der Gesellschaft grundlegend verändert. Ich habe aus erster Hand erfahren, dass Rechtsrahmen niemals universell sind – sie spiegeln die Gesellschaften wider, die sie regeln, und was in einem Kontext funktioniert, muss nicht in einem anderen funktionieren.
Nehmen wir zum Beispiel das Wettbewerbsrecht. In Europa wird es hauptsächlich von wirtschaftlicher Effizienz getrieben, während es in Südafrika auch als Instrument der Sozialpolitik dient, um wirtschaftliche Ungleichheit anzugehen und breitere Entwicklungsziele zu fördern. In Regionen mit weit verbreiteter Armut verschieben sich die rechtlichen Prioritäten zwangsläufig. Das Recht muss sich diesen Realitäten anpassen, sonst läuft es Gefahr, sich von den Menschen zu entfernen, denen es dienen soll. Und wenn das passiert, kann es kein sinnvolles Rechtssystem mehr sein.
Deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass das Verständnis des Rechts über Lehrbücher und Gerichtssäle hinausgeht. Es geht darum zu sehen, wie Rechtssysteme in der Praxis funktionieren, wie sie auf gesellschaftliche Herausforderungen reagieren und wie sie die Welt um sie herum gestalten – und von ihr gestaltet werden.
Rechtssysteme können niemals im luftleeren Raum existieren; sie müssen sich an die gelebten Realitäten der Menschen anpassen, die sie regieren sollen.
Was begeistert dich am meisten an deiner Arbeit im Recht?
Für mich liegt das Wesen des Rechts in den Menschen. Menschliche Interaktion ist das, was mich antreibt – weit mehr als die technische Ausübung des Rechts selbst. Recht existiert nicht isoliert; es wird von denen geformt, die es schaffen, anwenden und respektieren. Deshalb sehe ich die Rolle von Anwälten nicht nur als Regelmacher oder Vollstrecker, sondern vor allem als Kommunikatoren. Wir besitzen das Recht nicht – wir führen andere hindurch. Wir sind Navigatoren, die Menschen helfen, das Rechtssystem zu verstehen und sich damit auseinanderzusetzen.
Wie siehst du in diesem von Menschen geprägten Beruf die Rolle der Technologie?
Es gibt eine natürliche Spannung zwischen Chance und Herausforderung, wenn es um Technologie im Recht geht. Einige befürchten, dass Automatisierung das menschliche Urteilsvermögen ersetzen könnte, aber ich sehe das anders. Angesichts der zunehmenden Komplexität der Welt glaube ich, dass Technologie eine fundamentale Rolle dabei spielt, das Recht, das die Welt regiert, handhabbar zu halten. Technologie kann, wenn sie richtig eingesetzt wird, komplexe Rechtsstrukturen zugänglicher machen – sei es durch intelligente Assistenzsysteme, automatisierte Analysen oder neue Wege, juristisches Wissen zu teilen.
Ich glaube, der Schlüssel liegt nicht darin, das menschliche Element des Rechts zu ersetzen, sondern es mit Technologie zu stärken.
Wie betrachtest du die Integration von KI in die Rechtspraxis?
Moderne KI-Technologien können Rechtsexperten helfen, sich in komplizierten Rechtslandschaften zurechtzufinden, während menschliche Expertise im Mittelpunkt bleibt.
Wenn Anwälte als Navigatoren für ihre Mandanten fungieren, dann kann moderne Technologie als Navigator für uns Anwälte-Navigatoren dienen.
In einem zunehmend komplexen rechtlichen Umfeld ist diese Rolle wichtiger denn je.
Generell ist das Potenzial der KI zur Straffung von Rechtsprozessen immens. Es ist nicht mehr nur theoretisch – KI liefert echte Effizienzgewinne für Rechtsexperten, nicht nur für Gelegenheitsnutzer, die ChatGPT nach Trivia fragen. Und ich bin wirklich begeistert, dass KI da ist, besonders mit Libra, weil wir jetzt die Chance haben, diese Technologien so einzusetzen, dass sie mit unseren realen rechtlichen Arbeitsabläufen übereinstimmen.
Was ist angesichts dieser sich schnell entwickelnden Möglichkeiten dein Ansatz zur Rechtsinnovation?
Ich glaube, dass Offenheit in diesem Zusammenhang der Schlüssel ist. Ich bin gespannt darauf, zu erkunden, wie KI die Arbeit meines Teams verändern kann – nicht, indem sie uns ersetzt, sondern indem sie die menschlichen Aspekte unserer Arbeit ergänzt. Das Ziel ist, unsere Praxis zu verbessern, sie effizienter zu machen und sicherzustellen, dass menschliche Einsicht zentral bleibt.
Mein Ansatz ist pragmatisch: Ich konzentriere mich auf echte, praktische Anwendungsfälle für mich und mein Team. Wenn eine Lösung nicht funktioniert, so sei es – aber ich bin wirklich begeistert von dem Potenzial. Mit Libra haben wir jetzt eine KI-Lösung, die nicht nur in der Theorie existiert, sondern tatsächlich einen Mehrwert in der täglichen Rechtspraxis liefert. Was den Unterschied macht, ist, dass Ihr Team nicht nur technisch versiert ist – Sie verstehen auch wirklich die Realitäten, wie Anwälte arbeiten, und stellen sicher, dass Ihr Produkt sich nahtlos in unsere Arbeitsabläufe einfügt.